Smart Home: das vernetzte Haus

Diese Seite ist Teil der Dokumentation Bauprojekt HAUS21: ein Haus für das 21. Jahrhundert. Einfamilienhaus mit Büro zum Wohnen und Arbeiten, klimaneutral beheizt und gekühlt, nachhaltig errichtet zur langfristigen flexbilen Nutzung, in wesentlichen Aspekten altersgerecht und barrierefrei.

Wer nicht gerade in der IT tätig ist, wird beim Gedanken an Heimautomatisierung und Hausvernetzung (kurz: Smart Home) möglicherweise zunächst abwinken. Eine solche Einstellung sollte man dringend überdenken. Vielleicht hilft es, sich vorzustellen, man sei Smartphones gegenüber genauso ablehnend eingestellt und ließe die “unnötige” Smartphone-Technik bei Handy-Neuanschaffungen links liegen. Der Wiederverkaufswert des erworbenen nicht smarten Gerätes dürfte ziemlich genau bei Null liegen.

Wer heute ein Haus ohne intelligente Gebäudetechnik baut, errichtet einen Altbau.

Quelle des Zitats: Stefan Heinles sehr empfehlenswertes Buch Heimautomation mit KNX, DALI, 1-Wire und Co.

Was ist eigentlich ein Smart Home?

Letztlich geht es beim Smart Home darum, Hardware durch Software zu ersetzen. Hardware ist starr, Software dagegen flexibel. Denken Sie nur an Ihr Smartphone, das daherkommt mit Taschenrechner, Wecker, Kompass, Kamera, Notizblock, Karten, Audiorekorder, Terminkalender, und so weiter. Früher waren das alles separate Geräte und Dinge (Hardware). Das Smartphone hat sie alle durch Software (Apps) ersetzt.

Das Smart Home entkoppelt Ursache und Wirkung. Ein Lichtschalter ist nicht mehr direkt mit einer Lampe verbunden. Vielmehr ist ein Lichtschalter ein kleines Steuergerät, das bei Betätigung ein Signal ins Hausnetz sendet. Als Reaktion darauf könnte eine Lichtszene aktiviert werden, es könnte aber auch etwas ganz anderes passieren. Ein Wippschalter kann so ganz nach Bedarf zum Dimmen der Beleuchtung, aber auch zum Steuern der Jalousien genutzt werden.

Anwendungsbeispiele

Ein Smart Home ist keineswegs Spielerei. Der oft gezeigte Fernzugriff per Smartphone-App von der Liege am Urlaubspool dagegen schon. Statt solcher Effekthascherei geht es darum, wiederkehrende Prozesse “intelligent” zu automatisieren. Das Haus soll dem Menschen dienen, nicht umgekehrt. Im Folgenden einige Beispiele:

  • Jederzeit abgeschlossene Haustür: ein Motorschloss in der Haustür verschließt die Tür, sobald sie ins Schloss fällt. Wenn man von innen die Klinke betätigt, wird die Tür entriegelt und man kann sie wie gewohnt öffnen.
  • Lichtszenen: ein schön beleuchteter Raum hat mehrere Lampen, die man zu einigen wenigen Lichtszenen kombiniert, z.B. “Lesen”, “Fernsehen”, “Besuch” und “Party”.
  • Beschattungssteuerung: abhängig vom Sonnenstand und den Außentemperaturen werden die Jalousien automatisch so gesteuert, dass sich das Gebäude nicht aufheizt.
  • Fensterkontrolle: wenn die Haustür von innen geöffent wird und sich niemand sonst mehr im Gebäude aufhält, leuchtet eine Flurleuchte rot, falls noch Fenster oder (Terrassen-) Türen offenstehen.

Wie wird ein Home smart?

Die gute Nachricht vorab: man kann klein anfangen, sollte aber darauf achten, sich keine Möglichkeiten zu verbauen.

Anbieter, Standards, Plattformen

Unzählige Anbieter haben das Smart Home als lukrativen Markt entdeckt, den sie gerne für sich (!) erschließen möchten. Dabei werden geschlossene Systeme geschaffen, deren Halbwertszeit oft erschreckend gering ist, teilweise nur wenige Jahre. Das ist in der IT so üblich, im Hausbau aber einfach nur lächerlich. Stellen Sie sich nur vor, sie möchten in zehn Jahren Ersatzteile oder neue Komponenten kaufen, und müssen feststellen, dass es den Hersteller entweder gar nicht mehr gibt, oder er die Produktlinie eingestellt hat.

Bei der Wahl der zugrundeliegenden Technologie sollte man sich also keinesfalls für einen einzelnen Hersteller entscheiden. Vielmehr benötigt man im Hausbau einen etablierten Standard mit guten Zukunftsaussichten: KNX.

Kabel oder Funk?

Man muss sich vergegenwärtigen, dass die meisten Smart Home-Produkte, auf die man im Internet, in Zeitschriften und in der Werbung stößt, zur Nachrüstung vorhandener Gebäude gedacht sind, auch wenn die Hersteller das selten klar und deutlich angeben. Da im Baubestand kaum jemals auch nur die einfachste Netzwerkverkabelung vorhanden ist, entwickeln die Anbieter notgedrungen funkbasierte Technologien, mit der Folge, dass es eine ganze Reihe unterschiedlicher, jeweils zueinander inkompatibler Standards gibt (beispielsweise Zigbee und Z-Wave).

Für Neubauten gilt der simple Rat: Kabel verlegen!

Welche Kabel, und wieviele davon?

Die folgenden Ratschläge versuchen, genügend Flexibilität für eine jahrzehntelange Nutzung zu schaffen.

Netzwerk

  • Parallele Verkabelung sowohl mit Kupfer (Cat7) als auch mit Lichtwellenleitern (LWL).
  • Netzwerkdosen zunächst nur für Cat7. Das parallel geführte LWL-Kabel sollte in einer Spirale in der Dose enden und durch einen Austausch der Dose nutzbar werden.
  • Pro Zimmer mindestens ein Netzwerkanschluss (auch für die Küche und andere zunächst “unwahrscheinlich” anmutende Räume.
  • Weitere Netzwerkanschlüsse pro Etage je ein Mal in zentraler Lage für Access Points sowie ein Anschluss an der Außenwand für den Garten.

Spezifikation der Kupferkabel:

  • Halogenfrei
  • Eignung für Power over Ethernet (PoE)

Spezifikation der Lichtwellenleiter:

  • Halogenfrei
  • OS2
  • Singlemode
  • 12 Fasern

Strom und Licht

Während die Netzwerkverkabelung sternförmig erfolgt, ist es bei Stromkabeln ausreichend, ein bis zwei Stromkreise pro Raum zu planen. Man verwendet dabei im Smart Home aber nicht das übliche dreiadrige NYM-Kabel, sondern eines mit fünf, sieben, oder noch mehr Adern. Die zusätzlichen Adern können flexibel genutzt werden: zum Schalten von Steckdosen (1 Ader pro zu schaltender Dose erforderlich), zum Schalten von Lampen (siehe Steckdosen) oder aber zum Vernetzung der Leuchten per DALI (zwei Adern erforderlich).

Pro Stromkreis wird ein Kabel benötigt, das bis zum Schaltschrank im Keller geführt werden muss. Dort sitzt die KNX-Technik.

KNX

Für die KNX-Kommunikation verwendet man das grüne KNX-Kabel vom Typ YCYM 2x2x0,8 bzw. EIB-Busleitung Y(St)Y 2x2x0,8.

Aufgrund der geringen Geschwindigkeit von nur 9.600 Bit/s (KNX TP1) ist KNX robust und stellt weitaus geringere Anforderungen an die Verkabelung als zum Beispiel ein Ethernet-Netzwerk. Die Topologie ist fast egal, es muss nur darauf geachtet werden, dass sich kein Ring ergibt.

Eine einzelne KNX-Busleitung bildet ein Liniensegmet, über das 64 Geräte adressiert werden können. Es dürfte für die meisten Fälle ausreichen, pro Etage ein Liniensegment (= 1 KNX-Kabel) vorzusehen. Jedes KNX-Kabel wird in den Keller zum Schaltschrank geführt.

Vorsicht: aus Sicherheitsgründen sollten von außen erreichbare KNX-Kabel (beispielsweise im Garten) als separate Linie ausgeführt werden, die über einen Linienkoppler mit dem Rest des KNX-Netzwerks verbunden ist.

Leerrohre?

Im zentralen, die Etagen verbindenden Kabelschacht können Leerrohre aus Gründen des Brandschutzes kaum eingesetzt werden. Überall sonst sind Leerrohre dagegen das Mittel der Wahl, um einen Austausch der Kabel zu einem späteren Zeitpunkt zu ermöglichen.

Größe Kabelschacht

Wer befürchtet, es mit vielen armdicken Kabelsträngen zu tun zu bekommen, den kann ich beruhigen: unser zentraler Kabelschacht für Elektro-, KNX-, Netzwerk- und TV-Kabel hat eine geringere Grundfläche als ein DIN A5-Blatt. Man kann das leicht überprüfen, wenn man sich die Durchmesser der Kabel heraussucht.

Rechenbeispiel:

Sensoren und Aktoren

Die Kabel bilden das Netzwerk für KNX, DALI, Ethernet, etc. An einem Ende werden sie jeweils in den Schaltschrank im Technikraum geführt. Was aber passiert am anderen Ende?

Letztlich ist das KNX-Netzwerk dafür da, alle Sensoren und Aktoren im Haus miteinander zu verbinden. Man sollte sich frühzeitig Gedanken machen, welche Arten von Sensoren und Aktoren man einbinden möchte. In manchen Fällen, beispielsweise bei Fensterkontakten, ist eine Nachrüstung schwierig.

KNX-Sensoren

Außentüren und -fenster

  • Reed-Kontakte zur Erkennung, ob geöffnet oder geschlossen

Innenräume

Kombisensor für:

  • Temperatur, Taupunkt
  • Luftfeuchtigkeit
  • Luftdruck
  • CO2-Gehalt
  • VOC (Volatile Organic Components)
  • Präsenzerkennung
  • Helligkeit

Brandschutz:

  • Rauchwarnmelder, untereinander vernetzt, mit einem einzigen KNX-Anschluss für alle Melder

Treppen/Flure

  • Bewegungsmelder

Garten

  • Bodenfeuchtigkeit
  • Füllstand Regenwasserzisterne

Wetterstation

Muss:

  • Windgeschwindigkeit
  • Helligkeit/Dämmerung
  • Sonnenstand
  • Temperatur
  • Niederschlag

Kann/Soll:

  • Windrichtung
  • Luftfeuchtigkeit
  • Luftdruck
  • Gefühlte Temperatur
  • Thermische Behaglichkeit
  • Globalstrahlung

Leckage (Wasseraustritt)

Leckage-Sensoren unterhalb von:

  • Spülmaschine
  • Waschmaschine
  • Badewanne
  • Duschtasse
  • Wasserspeicher im Technikraum

KNX-Aktoren

Steckdosen

  • Schaltbare Steckdosen mit eingebauter Strommessung. So kann z.B. erkannt werden, ob ein Gerät läuft (die Waschmaschine fertig ist).

Innenrollos

Da die außenliegenden Jalousien zur Beschattung dienen und bei Wind automatisch eingefahren werden, sind (mindestens) in den Schlafzimmern zusätzlich Innenrollos nötig. Diese können ebenfalls ins Heimnetz eingebunden und per KNX gesteuert werden.

Weiterführende Literatur

Zu Heimautomatisierung kann man sehr viel mehr schreiben, als es mir hier möglich ist. Das oben erwähnte Buch von Stefan Heinle sei wärmstens empfohlen. Es geht detailliert auf Theorie und Praxis ein. Wer möchte, findet darin genügend Detailwissen, um die KNX-Verkabelung und Ersteinrichtung selbst durchzuführen. Wer das lieber einem Elektriker überlässt, findet alles an Informationen, was für die Planung benötigt wird.